Menschen mit Behinderung ernst nehmen
Herbert Baumbusch (v.l.), Sebastian Koch, Raymund Fojkar und Britta Jürgensen diskutieren über seelische Gesundheit behinderter Menschen. © BERNHARD HAAS
Vier Diskussionsforen zum Thema Inklusion
Passend zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen hat der Gesundheitstreffpunkt Mannheim auf der Bundesgartenschau zum Aktionstag geladen. Im Pavillon der Metropolregion Rhein-Neckar wechselten sich Talkrunden und musikalische Beiträge in schneller Reihenfolge ab. Den Zuhörern und Zuschauern wurde ein abwechslungsreiches Programm mit Gesprächsrunden, Live-Musik und einer Disco-Tanz-Show unter dem Motto "Mutig in die Zukunft" geboten.
In vier Gesprächsrunden ging es um das Thema Inklusion. Nicht nur der Sport oder die Kultur können viele Hindernisse beseitigen und für mehr Miteinander in der Gesellschaft sorgen. Die erste Gesprächsrunde beschäftigte sich mit dem Thema "Sport und Kultur profitieren von Inklusion". Auch behinderte Sportler dürften nicht verloren gehen, stellte Heiko Striehl vom TSV 1846 fest. Etwa, wenn ein Behinderter eine Sportart suche, die ein Verein nicht anbiete. So sei es wichtig, diesen an einen anderen Verein zu vermitteln, der diese Sportart anbietet. Schließlich sei Sport für alle wichtig. "Es ist auch ein Lebensgefühl", unterstrich der Judosportler im Parajudo.
Freude über Rampe am Eingang
Es geht auch darum, Alltagsbarrieren zu überwinden. So begrüßte Daniel Gallimore von der Heidelberger Band NeoMore, dass auf der Buga eine Rampe an dem Pavillon installiert worden sei, damit er überhaupt erst auf der Bühne Platz nehmen konnte. Die sei nicht von Anfang an so gewesen, sondern erst auf Initiative des Gesundheitstreffs umgestaltet worden, erklärte die Moderatorin dazu.
Auch in der Kunst sei man inzwischen an vielen Orten auf einem guten Weg, barrierefreie Zutritte zu den Kunstwerken zu schaffen, stellte Anne Marie Geisthardt vom Kulturparkett Rhein-Neckar fest. Dessen Ziel ist es, auch Bürgern mit geringem Einkommen die Teilhabe am kulturellen Leben möglich zu machen. Gallimore erzählte, dass er eine Reise nach Portugal machen wollte. Er habe auch Angebote mit rund 6000 Zimmern gefunden. Aber als er nach barrierefreien Zimmern gesucht habe, seien nur noch vier übrig geblieben.
Beim Talk mit Britta Jürgensen (Sprecherin Regionale Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen Mannheim), Herbert Baumbusch (skf -Sozialdienst katholischer Frauen) und "MM"-Redakteur Sebastian Koch ging es um seelische Gesundheit. Moderator Raymond Fojkar erinnerte zum Einstieg an eine lateinische Redewendung eines römischen Dichters, die bei ihm in der Schulturnhalle geschrieben stand: "Mens sana in corpore sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Britta Jürgensen, selbst hörbeeinträchtigt, unterstrich, dass es heute viele Hilfsmittel gibt, um diese Beeinträchtigung zu überwinden.
Ungewissheit, wie Umfeld reagiert
Aber am Abend möchte sie auch mal ihre Ruhe haben und ein wenig Sport treiben oder ein Buch lesen. Für Sebastian Koch sei es in der Schulzeit manchmal schwierig gewesen, sich zu trauen, Fragen zu stellen, weil er nicht wisse, wie das Umfeld darauf reagiert. Wichtig sei für ihn, dass das soziale Umfeld seine Behinderung - er stottert - akzeptiere und positiv damit umgehe. Manchmal würden Behinderte als Egozentriker abgestempelt, weil sie sich oft zurückziehen und nicht mit dem Umfeld kommunizieren wollten, stellte Herbert Baumbusch heraus. Solche Menschen hätten Probleme, sich in die Gemeinschaft einzubringen.
Um anderen zu helfen und sie zu unterstützen, sei entscheidend, die Behinderten ausreden zu lassen und ihnen nicht ins Wort zu fallen, betonte Koch. Ein Erfolg sei schon, wenn ihm nicht die Worte aus dem Mund genommen würden. Leider geschehe das auch in den Medien häufig. "Stottern einfach wegzublasen, entspricht nicht der Realität. Da steckt viel Therapie dahinter. Manchmal ist es auch nicht von Erfolg gekrönt", sagte Koch unter dem Beifall der Zuhörer. Baumbusch forderte, Menschen mit einer Behinderung ernst zu nehmen. Selbst Goethe habe seine Höhenangst überwunden und sei zur Eigentherapie auf den Turm des Straßburger Münsters gestiegen, erzählte Moderator Fojkar.
Der Heidelberger Beschwerdechor übernahm das musikalische Zwischenspiel, ehe es bei zwei Gesprächsrunden einmal um inklusives Wohnen und zum Zweiten um Vielfalt, Toleranz und Inklusion ging. Der Tausendfüßler Club Heidelberg brachte dazu die fröhliche Stimmung mit.
Zuhörerin Heike Achut fand die Veranstaltung wichtig und gut: "Wichtig, weil viele Menschen mit Behinderung am Rande der Gesellschaft leben. Diese müssen mitgenommen werden." Das war auch für Annette Novak entscheidend: "Man muss immer sehen, was geleistet wird. Damit nimmt man vielen die Hemmungen".
Bernhard Haas Freier Autor
Quelle: https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-menschen-mit-behinderung-ernst-nehmen-_arid,2080994.html